Was soll ich bloss mit meinen Weihnachtsgeschenken machen?
von Jossi Schütt
Ebenso wie die Weihnachtsbeleuchtung an der Bahnhofstrasse hat es mir abgelöscht; dieser Winter, dieser Regen, dieser Nebel. Ich beginne ja schon, mich mit Weihnachtsbeleuchtungen zu vergleichen; mir vorzustellen, wie ich sie ansprechen könnte…
– Hey, juicy Lucy…
– Ach, komm mir nicht auf diese Weise, du Lustmolch!!!
Toll, jetzt habe ich sogar von der Weihnachtsbeleuchtung einen Korb bekommen – –
Meine Gedanken deprimieren mich.
Ich sitze in meinem Stuhl und denke nach, nehme ab und zu einen kräftigen Schuss meines imaginären Whiskys, paffe an meiner imaginären Zigarre und denke nach und denke nach und denke nach.
Ich überlege mir, wie gern ich jetzt doch wirklich etwas Geist und Qualm hätte – obwohl ich offiziell gar nicht weiss, wie dieses Zeug schmeckt. Die Weihnachtsbeleuchtung meldet sich nochmals bei mir:
– Maulheld!
– Ach, sei doch still, du trägst sowieso zu viel Schminke.
– …!
Wie eine mittelalterliche Burg bin ich in meinem Stuhl von einer Festungsmauer umzingelt, einer Festungsmauer aus lauter Weihnachtsgeschenken.
Diese Geschenke… Ab einem gewissen Alter freut man sich am meisten über Bares, aber irgendeine hinterletzte Grosstante hat es immer noch nicht gerafft.
Ich möchte dazu aus einer meiner Dankeskarten zitieren, die ich an eine der besagten Tanten schreiben musste:
Liebe Tante Grete
Wie in jedem Jahr zuvor habe ich mich sehr über Dein liebes Weihnachtsgeschenk gefreut. Was würde ich nur ohne deine Stricksocken machen? Es freut mich, dass du mir trotz meiner Wollenallergie immer noch Wollsocken mit eingestickten Sandmännlein als Muster darauf schenkst. Du solltest das Sandmännlein übrigens auch einmal schauen, dann schläfst du vielleicht schneller weg (versteh mich nicht falsch, gell…)
Beim Schreiben dieser Dankeskarte bin ich nun auf ein anderes Problem aufmerksam geworden:
Was soll man mit Geschenken tun, die man nicht braucht?
Heikle Frage. Im Sinne des Weltnachdenktags (den es sicher gibt) und im Sinne des vierten Gebots der Heiligen Schrift («Sei kein asoziales Schwein»), will ich diese Frage beantworten:
Es bieten sich einem diverse Methoden zur Bekämpfung dieses Problems an. Zum einen gibt es den Klassiker, den sogenannten «Gegenschlag». Der «Gegenschlag» funktioniert bestens bei notorischen Falsch-Schenkern, die meistens ledig mit ihrem Hündchen wohnen. Es gilt, den «Gegenschlag» aber genau zu planen; es beginnt schon bei der Reaktion auf das Geschenk.
– Oh, neeeeein, mit dem habe ich nun aber wirklich nicht rechnen können, meine liebe Adelgunde!!! Du übertriffst dich ja mal wieder selber!!!
Der Spass kommt aber erst danach, man ist jetzt nämlich regelmässig ein Philanthrop und revanchiert sich mit ein paar eigenen Präsenten…
Die liebe Adelgunde tobte vor Freude
«Mein lieber Jossi, danke sooo viiiiieeel Maaal für den Grapefruitschalen-Raumspray!!!»
«Ist das wirklich, was ich denke, das es ist??! Ein Radiergummi in Form eines Kaktus?!! Ach, danke, lieber Jossi:):):):)!!!»
Methode zwei ist, zugegeben, eher radikal. Eignet sich aber für schnauzbärtige Onkelprotze namens Toni, mit karierten Hemd im Berner Oberland sesshaft. Erkennungsmerkmale: Schweizerpsalm als Klingelton, Blocher-Schrein im Wohnzimmer.
Name der Methode: «die Atombombe»
Im Grunde lässt sich diese «Atombombe» leicht zusammenfassen. Ist der gute Toni wieder einmal ein bisschen knausrig gewesen mit seinem Geschenk, zuckt man nicht einmal mit der Wimper: Seife auf die Treppenstufen. Zahnpasta mit Hämorrhoiden-Creme vertauschen. Vor dem Lauberhornrennen etwas an der Antenne herumbasteln. Coiffeur bestechen: Frau Andrea will diesmal keine Strähnlein, sie nimmt den Irokesenschnitt in grün, und so weiter, und so fort.
Nach Weihnachten ist man, im Januarloch dümpelnd, selten im Vollbesitz seines Gewissens, und kann auch eine etwas ehrlose dritte Variante in Betracht ziehen. Einst hatte ich einmal ein Dusch- und Badeset von einer aus unerklärlichen Gründen aufstrebenden Kosmetikmarke bekommen. Üble Sachen, rochen nach Marzipan und Plüschbärenexkrementen. Jetzt werden im Altersheim Oberstrass Hundepfoten damit geputzt.
Mein Glas Whisky ist ausgetrunken, der Stumpen verraucht, und ich denke wieder einmal nach. In meiner Festung sitze ich, eingehüllt von Rauch, und schmolle. Ich wende mich an die Weihnachtsbeleuchtung.
– Lucy? Kannst du mich hören?
– Ja, leider! Deine ganzen Anekdoten von deinen armen Tanten habe ich kaum ausgehalten.
– Entschuldigung…
– Sag mal, stimmt das eigentlich mit deiner Tante Grete? Schenkt sie dir wirklich Salatschüsseln?
– Wieso sollte sie nicht?
Meine Gedanken deprimieren mich wirklich.