Tabuisierte Wörter

Tabuisierte Wörter

 

von Martin Shen

Illustration: Jossi Schütt


In den Medien, Nachrichten und sogar im Alltag werden kontroverse Bezeichnungen von einer grossen Mehrheit wie die Pest gemieden. Aber sind es wirklich diese kontroversen Wörter an sich, die den Betroffenen emotional schaden? Denn ich behaupte, dass dies nur eine Konsequenz von etwas viel Grundlegenderem ist. Wir müssen mit dem Gebrauch solcher Wörter lockerer umgehen, wenn wir das Abwertende an der Bezeichnung und folglich auch die Diskriminierung an den Betroffenen abschaffen wollen.

Wenn ein Wort, welches Mitglieder einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe beschreibt, abwertend ist, so ist der erste Instinkt meistens, das Wort zu verbieten, demzufolge zu tabuisieren. Wenn ein Wort tabuisiert wird, so muss das Wort böse und schlecht sein, oder? Nehmen wir als Beispiel das Wort «Hure», das einem in emotional aufgeladenen Diskussionen gelegentlich rausrutscht. Es gibt unzählige andere Bezeichnungen, die das Wort umschreiben, gewisse sind dermassen abwertend, dass wir es in unserer Schülerzeitung nicht erwähnen wollen. Aber wertet es diesen Beruf wirklich auf, hilft es einer «Hure» wirklich, wenn wir sie «Dame der Nacht» oder «Prostituierte» nennen? Ihre Arbeit und, das muss man so direkt sagen, auch ihre gesellschaftliche Stellung wertet das nicht auf und ihre Probleme sind doch noch lange nicht gelöst.

 
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Um noch überhaupt diese Menschen mit Würde ansprechen zu können, haben wir Euphemismen entwickelt, um Alternativen zu Wörtern wie «Hure» und ähnlichen zu schaffen.

Damit wird zwar das Tabuisierungsproblem vermindert, doch man übersieht, dass diese Euphemismen schlussendlich wieder zu «kontroversen» Wörtern werden und somit regelmässig ersetzt werden müssen.

So wird im Englischen aus «crippled» «retarded», dann aus «retarded» wird «disabled». Obwohl diese Bezeichnungen sich immer wieder ändern, so beschreiben sie immer das Gleiche, nämlich einen Menschen mit Handicap.

Wenn wir also negativ eingestellt sind gegenüber diesen Menschen, wird kein Euphemismus das Abwertende entfernen können. Man könnte die Freude über Schulpausen ja auch nicht unterdrücken, wenn man diese nun «Ausharrungszeit» nennen würde.

Das heisst aber immer noch nicht, dass man jetzt pausenlos «Behinderter» oder «Hure» durch die Schulhallen rufen soll. Man muss sich aber bewusst sein, dass die Diskriminierung nicht durch diese Wörter an sich geschieht, sondern durch unsere generelle Grundeinstellung gegenüber diesen Leuten. Schlussendlich hängt die Nutzung dieser kontroversen Wörter stark vom Kontext und Betonung ab, wie alle anderen Wörter. Denn Prostituierte und Behinderte sind, wie alle anderen Menschen auch, des Respekts und der Anerkennung würdig.

 


Notiz: Der Autor möchte anmerken, dass die Tabusierung gewisser Wörter so weit geht, dass er diese Beispiele hier nicht hat publizieren wollen.

Ja, was, wenn?

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