Ein nochmals anderer Scheinwerfer berichtet aus nochmals anderer Perspektive über nochmals andere Erlebnisse.

 

von Sophia Lussi


Unter dem allgemeinen Stress der Theater-Intensivwoche werde ich vom fleissigen Technikteam über der Bühne befestigt. Ich werde in den nächsten zwei Wochen jedes Detail über den Kaiser und seine Hühner dem Publikum offenbaren. Mitsamt dem wunderschönen Szenenbild werde ich immer nervöser, während der 18. Novemeber näherkommt. Im Vergleich zu den Schauspielern ist meine Arbeit jedoch um einiges einfacher. Ich muss die Witze Dürrenmatts nicht auswendig lernen, meine Rolle ist vorprogrammiert auf dem Computer vor der Bühne.

Und endlich ist er da! Mein «Moment to shine», mein grosser Auftritt. Die Zuschauer strömen in die Aula, darunter auch einige, die normalerweise nicht (mehr) durch die Gänge dieser Schule gehen. Vorfreudig nehmen sie Platz auf der Tribüne. Der Alltag verschwindet mit den langweiligen LED-Lichtern in der Dunkelheit und ich gebe die Sicht frei auf die beiden Kämmerer. Einen Moment ist es ganz still im Raum, alle Menschen scheinen in dieselbe Regungslosigkeit wie die beiden Schauspieler auf der Bühne gefallen zu sein. Da stürmt der Reiterpräfekt Spurius Titus Mamma aus den Kulissen und das Stück nimmt seinen Lauf. Das Publikum wird mitgerissen und einigen Zuschauern kommen bald vor Lachen die Tränen. Aber die Schauspieler sind professionell und es ist nie ein Schmunzeln zu sehen.

Das Stück handelt vom Untergang des römischen Reiches. Tönt langweilig? Ist es überhaupt nicht! Dürrenmatt hat sich nicht von den historischen Tatsachen einschränken lassen und sein Stück stellt nicht idealisierte Figuren aus der Geschichte dar, sondern normale Menschen. Ich kann nicht wirklich sagen «Menschen, wie du und», da ich nicht zu dieser Spezies gehöre, aber was ich über euch Menschen in meinem Leben gelernt habe, widerspiegelt sich in den Figuren, die ich beleuchte. Sie sind verschieden, machen Fehler und erkennen diese… manchmal auch nicht. Sie glauben an ein Ideal…  oder nicht. Sie lieben Hühner…oder schlachten diese. Sie haben eine Rolle… oder mehrere. Aber jede Rolle, die die Schauspieler verkörpern, ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet.

Nur sehr selten versuche ich mein Licht abzuwenden, wenn eine Rolle nicht komplett glaubwürdig ist. In der Pause werde ich für eine Weile nicht gebraucht, während die Zuschauer sich dem feinen Kuchen zuwenden.

Dann geht es weiter und das Stück wird gegen Ende immer besser. Beim tosenden Applaus am Schluss werde ich gar nicht mehr gebraucht, die Schauspieler und alle, die bei der Organisation dieses Abends mitgewirkt haben, strahlen vor Freude. Ich bereue, dass ich nicht klatschen kann. Mit Vorfreude erwarte ich alle zukünftigen Stücke dieser Theatergruppe, bei der ich immer stolz bin, ein Scheinwerfer zu sein.

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A Flashlight's Perspective

A Flashlight's Perspective

Abstract

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