Ein komplexer Film über Träume und ein Film, der nicht sexistisch ist
Zwei neue Filmkritiken, von Marco Cousin
«Inception»
Dirigiert von Hans Zimmer, «regiert» von Christopher Nolan; dazu das Triumvirat von Leonardo DiCaprio, Joseph Gordon-Levitt und Ellen Page (obwohl streng genommen kein Mann), begleitet von Tom Hardy und Ken Watanabe sowie Sir Michael Caine: Das schreit nach einem geradezu formidablen Kinoabend! Unterstützt wird das Ganze noch zusätzlich von einer bahnbrechenden Story: Ein sehr gut bezahlter und professioneller Dieb stiehlt Geheimnisse, indem er sich in die Träume von bestimmten Personen hineinschleicht.
Was will man mehr?
Leider schreien gute Schauspieler, gute Regisseure und gute Stories halt oft auch nach doppelt und dreifach gemoppelten Böden und Spielen. So beginnt der Film nach der gespenstischen Introszene auch gleich innerhalb des Traums einer Person, aus dem zwar alle aufwachen, jedoch nur, um sich dann in einem weiteren Traum wiederzufinden. Ein Traum im Traum, Träume auf verschiedenen Ebenen – und es sind noch keine zehn Minuten vergangen. Verteilt über 148 Minuten, geht das ganz schön an die Nieren und das Ende des Films wird zwischenzeitlich sogar schon verraten: Abstrus!
Gleichzeitig wird die Handlung des Films – Cobb (Leonardo DiCaprio) soll in der kriminell motivierten Traumforschung zum allerersten Mal nicht in einen Traum einbrechen, sondern gezielt einen einpflanzen – gepaart mit der verzweifelten Suche nach Gründen für den Selbstmord von Cobbs Frau. Zwischenzeitlich werden diese zwei Handlungsstränge derart miteinander verwoben, dass sogar die Charaktere im Film nicht mehr wissen, auf welcher Traum-Ebene sie sich gerade befinden.
Das alles, in Kombination mit minutenlangen Erklärungen, wie Träume initiiert, konstruiert, gefälscht, beendet und eingepflanzt werden, erinnert schon mehr an einen Kompliziertheitsgrad von «Interstellar»; ein Film also, der für zwei bis drei Wochen alle Schulstunden problemlos füllen könnte.
Somit ist dieser Film vor allem für einen Abend geeignet, an dem man sich so richtig verwirren, irreführen lassen und auch gegen’s Ende etwas einschläfern lassen möchte.
Trotzdem verspricht «Inception» Spannung und Nachdenken, gefolgt von langem Warten, was man heute wohl träumen wird – und vor allem: mit wem man es träumen wird.
INCEPTION. USA/UK 2010. Thriller von Christopher Nolan. Mit Leonardo DiCaprio, Marion Cotillard, Joseph Gordon-Levitt, Ellen Page, Ken Watanabe, Tom Hardy und Sir Michael Caine-
«Red Sparrow» – jetzt im Kino
Russia, present day. Dominika Egorova ist die Prima Ballerina des russischen Ballets am Bolschoi-Theater, das sehr erfolgreich und sehr beliebt ist. Als ihr ein Kollege mit einem falsch antizipierten Sprung den Knöchel bricht, ist ihre Karriere als Ballerina unwiderruflich dahin. Unfreiwillig angespornt durch die Krankheit ihrer Mutter und der drohenden Wohnungsabgabe sowie der Absetzung der Medikamente, welche ihre Mutter so dringend benötigt, lässt sie sich von ihrem Onkel Ivan zu einem abstossenden Job verleiten, den sie jedoch vorerst nur einmal ausführen soll: Sie wird damit beauftragt, einen vom russischen Auslandsgeheimdienst SWR gesuchten Mann so lange «hinzuhalten», bis die zuständigen Agenten zuschlagen können. Das Ganze endet in einer angedeuteten Vergewaltigung und einem guten Liter Blut, der über Dominika Egorova fliesst. Keine schöne Erfahrung im neuesten und einmaligen Beruf. Ihr Onkel lässt allerdings nicht locker und schickt sie auf eine Schule, wo sie ihre bisherigen «Talente» weiter vertiefen soll, um damit Russland dienen zu können.
Dieser Film wird oft als sexistisch aufgefasst, weil die Hauptdarstellerin nur auf ihre körperlichen Reize beschränkt werde und allgemein die Rolle der Frau in diesem Film ein höchst umstrittenes Thema ist. Es muss angemerkt werden, dass die Intelligenz einer einzigen Frau den grössten Stellenwert in «Red Sparrow» einnimmt und nicht etwa ihre Reize, sondern ihr Durchhaltevermögen das zentrale Thema darstellt. Es ist klar, dass «Red Sparrow» nicht der erste Film ist, der eine weibliche Spionageheldin in den Vordergrund setzt und sich damit gleichzeitig ihrer Rolle als Verführerin und Manipulatorin bedient. Zeitweise mutet der Film mit seinen brutalen Szenen dem Zuschauer schon fast eine Dokumentation über russische Folter- und Verhörmethoden zu.
Das Geld auf jeden Fall wert und als feministischer Film durchaus gängig, bietet «Red Sparrow» eine Tour durch Russland und vor allem durch die Diplomatie zwischen Russland und Amerika oder zwischen Frau und Mann.
RED SPARROW. USA 2018. Thriller von Francis Lawrence. Mit Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Matthias Schoenaerts, Ciarán Hinds, Charlotte Rampling und Jeremy Irons.

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