If you need me, I'm in London!

If you need me, I'm in London!

Sophia Lussi, London


Die Klasse 4b hat in den Frühlingsferien einen Fünftel der Strecke zum Mond zurückgelegt.
— Und das mit einem normalen Flugzeug.

In den Gärten der Reihenhäuser verrichten zwei benachbarte Hunde gleichzeitig ihr Geschäft. In der Ferne hört man das Rattern der Untergrundbahn. Ich könnte jetzt noch beschreiben wie blau der Himmel ist und wie die Vögel zwitschern, aber ich möchte dich, lieber Leser, nicht langweilen. Vielleicht bist du auch schon beim Titel dieses Artikels eingeschlafen. Du hast gedacht: «London? Been there, seen it. Ich muss nicht hören wie diese Touristin das London Eye beschreibt und Witze über die Queen macht» und hast weiter nach unten gescrollt oder bist eingeschlafen. Dann würde ich gerne deinen Finger anhalten oder dich durch dein Handy anschreien können. AUFWACHEN! Denn ich werde nicht das London Eye beschreiben. Ehrlich gesagt war ich noch nie auf dem London Eye. Es hat immer zu viele Leute und man kann sich doch einfach eine Postkarte mit der Skyline von London kaufen und die verbleibende Zeit nutzen, um die Stadt zu erkunden. Also werde ich dies tun. Komm mit zur U-Bahn (die wird hier «Tube» genannt). Halt! Du musst dir zuerst eine Oyster-Card kaufen, das ist eine Karte, auf die du Geld laden kannst und dann musst du diese nur an jeder Station beim Eingang oder Ausgang an einen Scanner halten und das Geld deiner Fahrt wird abgezogen. Also das wäre erklärt. Hey, nicht eindösen, es wird schon noch spannend!

Zum Beispiel beim Herausfinden, welche der Züge du nehmen musst. Es gibt viele verschiedene Linien und dann musst du immer noch wissen, ob du jetzt in den Norden, in den Süden, Osten oder Westen fahren musst. Wenn du genausoviel von Geographie verstehst wie ich, dann würde ich dir raten, die Route in aller Ruhe im Hotel herauszusuchen. Der Londoner, der zu spät zur Arbeit kommt, wenn er diesen Zug nicht erwischt, wird sich sehr über den Schweizer Touristen aufregen, der vor ihm stehen bleibt, um die Karte zu konsultieren. Ich überspringe jetzt die U-Bahn Fahrt, sie ist nicht so spannend. Ausser, dass eine passiv-aggressive Stimme die Reisenden an jeder Station daran erinnert, auf welcher Linie sie sind («This is a District Line train to Upminster») und dass sie sich vor den schliessenden Türen in Acht nehmen sollten («Mind the closing doors»). Vor dem ca. zwei Zentimeter grossen Spalt zwischen Zug und Perron wird auch immer wieder gewarnt («Mind the Gap»). «Wo geht diese Reise denn eigentlich hin?», fragst du dich vielleicht. Diese Frage ist absolut legitimiert. Wir gehen einen Friedhof anschauen.


 
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Wenn ich dich jetzt verloren habe, lieber Leser, weil du nun definitiv denkst, ich sei verrückt und lieber etwas Essen gehst, dann ist das schade, aber ich kann es verstehen. Ein Friedhof klingt nicht so verlockend wie ein Nutella-Brot. Kannst du deinem Hunger jedoch noch zwei Sekunden länger widerstehen, um den nächsten Satz zu lesen, wirst du hoffentlich noch länger bleiben. Also wir gehen nicht irgendeinen Friedhof anschauen, sondern das Highgate Cemetery. Dort liegt unter anderem das Grab von Karl Marx, dem Begründer des Marxismus. Der Marxismus ist eine Gesellschaftslehre, die versucht eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen, also eine Form des Sozialismus oder des Kommunismus. Das Grab wird immer wieder von vielen Kommunisten oder einfach historisch interessierten Leuten besucht und ist auch von vielen Gräbern von kommunistischen Politikern aus anderen Ländern umgeben. Am Eingang steht ein grosses Poster mit einem Bild vom Denkmal beim Grab von Marx. Darunter steht: Adults £4, Children Free. Was Herr Marx dazu gesagt hätte, dass mit seinem Grab Kapitalismus betrieben wird, werden wir leider nie erfahren. Aber das Highgate Cemetery ist nicht nur wegen diesem Grab sehenswert. In der Schweiz werden Friedhöfe regelmässig geräumt und alte Gräber werden entfernt. Dies ist nicht so in England. Daraus entsteht eine Landschaft aus wunderschönen Denkmälern, die an Leute erinnern, die zum Teil vor fast 200 Jahren gestorben sind. Am Eingang erhält man auch einen Plan, auf dem die Gräber von berühmten Personen und wo diese auf dem Friedhof zu finden sind, aufgelistet sind. Darunter gibt es zum Beispiel die Tochter des Komponisten Gustav Mahler; ein Mann, der mit der Titanic untergegangen ist und eine Frau, die nur dadurch ausgezeichnet ist, dass sie einen treuen Hund namens Emperor hatte. Hast du genug Gräber gesehen und möchtest endlich etwas essen gehen? Suchen wir uns ein Restaurant. Es gibt in London eigentlich in jedem Pub Fish and Chips, aber die Qualität variiert. Wo es gutes Essen gibt, ist im Gourmet Burger Kitchen. Das ist eine Restaurantkette, die frisch gekochte Burgers der besten Art serviert.

Achtung: Beim Eintreten in praktisch jedes Restaurant in London werden dich die Angestellten fragen: «How are you?» Diese Frage ist aber keine Aufforderung an dich, deine momentane Lebenssituation zu erklären, sondern einfach ein Teil der Begrüssung. Wenn du unbedingt antworten möchtest, kannst du sagen: «Fine, thank you» und dann zum Wichtigen, dem Essen, übergehen. Sie werden es dir aber gar nicht übelnehmen, wenn du die Frage einfach mit: «I’d like a table for (Anzahl Personen)» beantwortest.

Während ich meinen Burger geniesse, gebe ich dir, lieber Leser, die Erlaubnis, dein Nutella-Brot essen zu gehen, aber bitte komm nachher wieder zu diesem Artikel zurück! Du hast vorher auch nicht mit den Hausaufgaben angefangen, also werden fünf Minuten mehr Entspannung dir auch nicht schaden.

Gut genährt setzen wir unsere Reise nun fort und ich spüre, dass du genug Kulturelles erlebt hast. Liege ich falsch, gibt es unzählige Museen in der Stadt, die immer spannende Ausstellungen bieten. Habe ich recht, fahren wir nun zurück ins Zentrum und gehen dort shoppen. Ich werde dich jetzt nicht in jeden Kleiderladen schleppen, denn mein Geschmack entspricht vielleicht nicht deinem und, wie gesagt, du musst bald mit deinen Hausaufgaben beginnen. Ich möchte dir nur einen Laden empfehlen, den Buchladen Waterstones. Dort kannst du Stunden verbringen und wirst immer noch nicht jede Abteilung erkundet haben. Es gibt zu jedem Thema, egal wie klein, ein Buch, wahrscheinlich sogar mehrere und wenn du eine Auswahl getroffen hast, kannst du im vierten Stock Tee trinken gehen. Dies beinhaltet Schwarztee (mit Milch), warme scones (Rosinenbrötchen) mit clotted cream und kleinen Kuchen. Ein Muss für jeden, der nach London reist! Aber bevor ich jetzt wie ein billiger Reiseführer klinge, werde ich diesen Artikel beenden und dich deinen Hausaufgaben überlassen. Ich hoffe, dieser Artikel hat dich dazu inspiriert, nach London zu reisen oder wieder hin zu gehen, wenn du schon einmal da warst und das London Eye dich kalt gelassen hat.

Oder du musstest vielleicht beim Lesen Schmunzeln und bist nun nicht mehr so demotiviert, um mit deinen Aufgaben zu beginnen.

Denk einfach daran, die Ferien kommen wieder!

Schachmatt

Schachmatt

«Britishness»

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