Ich bin dann mal weg...
Der Traum von Freiheitsliebenden, Entdeckungsfreudigen und Unabhängigkeitssuchenden in noch jungen Jahren: das Austauschjahr. Vier Heimgekommene erzählen von ihren Erlebnissen.
von Emilia Svanberg
Illustration: Lea Glitsch
Viele von euch haben sich sicher schon, wie ich auch, Gedanken über ein Austauschjahr gemacht. Welche Möglichkeiten gibt es? Muss man die Klasse wiederholen? In welche Länder kann man reisen? Inwiefern hilft die HoPro?
Ich habe Nicolas, Nari, Aniko und Esther, vier Schüler aus der HoPro, die ein ganzes oder halbes Austauschjahr gemacht haben, getroffen und diese über ihre Erlebnisse erzählen lassen.
Nicolas hat in der vierten Klasse ein Austauschjahr in England gemacht.
«Das Wichtigste war mir, einmal einen Schritt aus der Schweiz zu machen und zu sehen, wie viel ich selbstständig machen kann», sagt Nicolas bei unserem Treffen an diesem heissen Freitagnachmittag. Er habe auch sein Englisch verbessern wollen. Ausserdem ist Nicolas ein grosser Fussballfan, was seine Entscheidung für England sehr beeinflusst habe.

Nicolas (rechts) mit seinen zwei Gastbrüdern aus den USA und Kolumbien sowie einer guten Kollegin aus Dänemark.
Nari verbrachte ein halbes Jahr in Auckland, der grössten Stadt Neuseelands. «Ich wusste schon sehr früh, dass ich eine Pause von der Schule machen wollte und habe mich deswegen für ein Austauschsemester entschieden», erzählt sie mir.
Der Schulalltag
Beide haben in einer Gastfamilie gewohnt. Nicolas hat eine öffentliche Schule besucht, wo er nur drei selbstgewählte Fächer hatte: Mathematik, Physik und Englische Literatur. Jedes Fach hatte er sechs Stunden pro Woche und somit nur 18 Stunden insgesamt. Nari ist in die „Steiner-Schule“, eine anthroposophische Schule, die es auch in Zürich gibt, gegangen. Diese legt mehr Wert auf praktische Sachen, wie Werken, aber auch Theater. Eine ihrer schönsten Erfahrungen sei das Theater in der Schule gewesen. «Wir haben drei Wochen an einem Projekt gearbeitet, und zwar Tag und Nacht. Das war ein tolles Erlebnis», verrät Nari begeistert.

Nari (zweite von rechts) mit ihren Freundinnen.
Wieso nur ein Semester?
Nari hat sich nur für ein halbes Jahr entschieden, weil sie eine sehr gute Klasse hatte, in der sie nach dem Austausch unbedingt weitergehen und nicht repetieren wollte. Anderen HoPro-Schülern, die Interesse an einem Austausch haben, würde sie allerdings empfehlen, ein ganzes Jahr im Austausch zu verbringen und danach die Klasse zu wiederholen. Nari meint, es sei sehr schwierig, nach einem halben Jahr zurückzukommen und sagt: «All die Erfahrung, die man dort gesammelt hat, macht die Schulzeit, die man verliert, wieder gut.»
Weit weg Spanisch lernen
Für Esther war schon sehr früh klar, dass sie ein Austauschjahr machen wollte. Einerseits, weil sie eine Klasse überspringen konnte und andererseits, weil ihr Bruder auch ein Austauschjahr gemacht und sehr viel Positives erzählt hat. Sie habe weit wegreisen wollen, um einen grossen Kulturunterschied zu spüren und eine neue Sprache zu lernen, und hat sich deswegen für Ecuador entschieden.
Was ist, wenn die Gastfamilie nicht passt?
Wie Nicolas und Nari wohnte Esther in einer Gastfamilie. Jedoch fühlte sie sich in ihrer ersten Gastfamilie, mit einer alleinerziehenden Mutter und deren Tochter, nicht wohl und wechselte deswegen die Familie. Ihre neue Familie war dafür umso besser. Sie hatte zwei ältere Schwestern und zwei jüngere Brüder.

Esther (links) mit ihrer neuen Gastfamilie.
Esther hatte keine Probleme, sich in Ecuador einzuleben. Nur mit dem Essen habe sie am Anfang Schwierigkeiten gehabt, weil es jeden Tag Reis gegeben habe. «Als Beilage gab es entweder Hühnchen, Schwein oder Rind. Vielleicht noch Fisch. Vier Möglichkeiten! Das ist ziemlich wenig Variation. Damit hatte ich am meisten Mühe», berichtet sie.
Das Schönste sei für Esther gewesen, dass sie ihre beste Freundin in Ecuador gefunden habe; ihre Schwester aus der Gastfamilie, die auch in ihre Klasse ging. Sie ist im Moment in Zürich, wo sie einen Austausch macht und bei Esther wohnt.
Aniko hat sich für Costa Rica entschieden, weil sie unbedingt eine neue Sprache habe lernen wollen, da sie in der HoPro Englisch-Latein als Profil hat. Sie hat sich für das sicherste und kleinste Land Südamerikas entschieden, damit sie das ganze Land in einem Jahr bereisen konnte, wie sie erzählt. Die Vermutung, dass die Leute in Südamerika sehr herzlich und freundlich sind, hat sich für Aniko in diesem Jahr bestätigt.
Erinnerungen werden zu Herausforderungen
Aniko hat sehr viele schöne Erinnerungen mit nach Hause nehmen können. Einer der schönsten Momente sei gewesen, als ihre kleine Gastschwester ihr gesagt habe, dass sie sehr froh sei, eine grosse Schwester bekommen zu haben und dass Aniko immer ihre Schwester bleiben würde. Auch als Aniko das erste Mal im Bus auf Spanisch angesprochen worden ist und nicht fünf Mal habe überlegen müssen, sondern direkt geantwortet habe, behält sie in angenehmer Erinnerung.
«Das Schwierigste war, akzeptieren zu müssen, dass ich dieses Jahr nur noch als Erinnerung haben und nie mehr das gleiche erleben werde», findet Aniko, als sie über die grössten Herausforderungen spricht.

Aniko und Esther (Mitte) mussten beide eine Schuluniform tragen.
Ein Austausch lohnt sich
Auch wenn die Schule für alle viel lockerer war, sind sie sich einig: Ein Austausch lohnt sich auf jeden Fall! Es gehe in erster Linie um die Erfahrung, in einem neuen Land mit einer neuen Sprache und Kultur auf sich selbst gestellt zu sein.
«Ich finde, wir sollten alle ein Austauschjahr machen! Ich finde es richtig gut, einmal weg zu gehen, dann kann man die Sachen, die man hier hat, viel mehr schätzen», schwärmt Esther. Nicolas meint auch: «Man lernt, dass man überall auf der Welt zurechtkommen kann und dass man immer Freunde finden wird. Diese Erfahrung hat man sonst nicht.»
Esther und Nicolas haben die Klasse nicht wiederholt, obwohl sie ein ganzes Jahr weg waren. Das ist natürlich nur möglich, wenn der Notenschnitt sehr gut ist.
Nari war die einzige von den vieren, die ohne eine Organisation gereist ist. Aniko, Esther und Nicolas sind mit der Organisation AFS (www.afs.ch) gereist. Unter www.intermundo.ch findest du mehr Informationen über die verschiedenen Austauschmöglichkeiten. In der dritten Klasse organisiert die HoPro einen Infoabend für interessierte Schüler.