Der Klimawandel eine «akademische Diskussion»? — Leserkommentare kritisch beleuchtet
Der Klimawandel ist ein Thema, das emotional aufgeladen ist und viele Menschen bewegt. In unserer letzten Ausgabe berichteten wir ausführlich über Schülerinnen und Schüler, die für das Klima die Schule streiken. Trotzdem gibt es auch immer noch viele «Klimaskeptiker». Ihrem Ärger machen sie oft in Kommentarspalten und Internetforen Luft und verdrehen oder vergessen dabei die Fakten und Zahlen. Unter einem Artikel des SRF über Eisbohrkerne in der Antarktis fanden sich einige dieser merkwürdigen Kommentare. Mit gesträubten Haaren wandten wir uns an Geographielehrerin Ursula Zehnder und baten sie, diese Kommentare zu kontern. Übrigens sei an dieser Stelle vor der Grammatik dieser Kommentare gewarnt…
«Eigentlich ist die ganze Diskusion rein akademisch... weil wir alle werden das Resultat des Klimawandels nicht seber erleben.. unabhaengig ob wir schuld sind oder nicht... und machen koennen wir wohl kaum etwas... da gibt es viel zu viele private Interssen.. Sicher ist die naechste ... Eiszeit.. die vermutlich auf eine Warmphase folgt.. man wird die Gebeine unserer Nachfahren mal im damaligen Permafrostboden finden…»
— Franz NANNI (igwena ndlovu), Mittwoch, 10. April 2019, 15:22 Uhr
Lieber Franz
Wenn man sich zu einem komplexen Thema wie dem System Erde/Atmosphäre äussert, sollte man sich vorher erst einmal informieren! Komplex heisst, es gibt nicht nur eine Ursache/Folge-Beziehung wie zum Beispiel beim Binge-Drinking, wo du am Morgen mit einem brummenden Schädel aufwachst, weil du am Abend zuvor mehr als eins über den Durst getrunken hast!
Komplexe Systeme zu verstehen, ist anspruchsvoll! Dafür haben wir Verständnis. Aber sich öffentlich zu äussern, ohne sich vorher angemessen zu informieren, ist dumm. Und der Inhalt von Fake-News wird nicht wahr, wenn man ihn wiederholt oder verschriftlicht. Darum hier die Richtigstellung:
Nein!!! Die Diskussion ist alles andere als akademisch! Der Klimawandel ist jetzt schon deutlich messbar! Die Temperaturen sind seit Messbeginn um 1880 global um fast 1° C gestiegen, in der Schweiz sogar um das Doppelte! Wir erleben die Folgen davon gerade jetzt!!! Der beste Indikator dafür sind unsere Alpengletscher, die seit 1880 bereits massiv an Volumen verloren haben und bis Ende des Jahrhunderts zwei Drittel ihres Volumens im Vergleich mit dem Ende der kleinen Eiszeit um 1880 verloren haben werden! Jeder ist schuld. Je nach Lebensstil und Konsumgewohnheiten der eine mehr, der andere weniger. Jeder kann etwas tun!!! Jeder hat ein Interesse daran, dass der Klimawandel gebremst wird.
In der Zukunft werden wir die wärmste Warmzeit der letzten 800’000 Jahre erleben, denn soweit reichen die Klimarekonstruktionen auf Grund der Analyse von Eisbohrkernen aus der Antarktis zurück, die zeigen, dass die Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre nie so hoch waren wie heute! Der Permafrost wird für Tausende von Jahren ordentlich auftauen!
Leugnen, verdrängen, schön reden oder andere verantwortlich machen geht nicht mehr!
Herzliche Grüsse
«Der Klimawandel ist ein ganz normaler Prozess. Maschinen hin oder her. In den letzten 100 Jahren hat sich die Erdbevölkerung verdreifacht, ein Plus von 6 Milliarden Menschen und jeder Mensch hat eine ca. Wärme von 100 Watt. Das sind 600 Milliarden Watt Wärme. Dazu kommen viel Tiere die für das Essen gezüchtet werden usw. ein bisschen weniger Fliegen oder Autofahrer ist reine Panikmacherei und Ablenkung.»
— Raymond Klaus (Ray) , Donnerstag, 11. April 2019, 09:03 Uhr
Lieber Raymond
Dass die Wärmeabstrahlung von Menschen und Tieren zur Klimaerwärmung führen soll, ist eine lustige Hypothese. Wir wollen sie hier gleich falsifizieren (widerlegen):
Woher stammt denn diese Wärmeabstrahlung? Richtig! Von der Energie, die Menschen und Tiere mit der Nahrung aufgenommen haben. Ob Pflanzenfresser oder Fleischfresser: Letztlich stammt diese Energie von der Sonne! Denn auch die Beutetiere von Fleischfressern, die tiefer in der Nahrungspyramide stehen, ernähren sich von Pflanzen. Und Pflanzen bauen ihre Biomasse durch Photosynthese auf, also mit Hilfe von Energie in Form von Sonnenlicht. Damit ist die Wärmeabstrahlung von Mensch und Tier nichts anderes als ein ganz winziger Teil der von der Erde täglich abgestrahlten Wärmestrahlung!
Und woher kommt nun diese Wärmeabstrahlung der Erde? Das lässt sich ganz einfach am Beispiel eines Treibhauses erklären und deshalb vergleicht man das System Erde/Atmosphäre auch gerne mit einem Treibhaus: Die Energie der Sonne erreicht die Erdoberfläche vor allem in Form von Licht. Ein Teil davon (ca. 50%) wird an der Oberfläche reflektiert, der andere Teil wird von der Oberfläche absorbiert. Die jeweiligen Anteile hängen von der Beschaffenheit der Oberfläche ab. Diese Wärmeabstrahlung der Erde ginge ungehindert ins Weltall verloren, wenn nicht einzelne Gase in der Atmosphäre die Eigenschaft besässen, diese Wärmestrahlung zu absorbieren und damit deren Energie in der Atmosphäre zu halten. Diese Gase werden Treibhausgase genannt, weil sie die Rolle des Glasdachs im Treibhaus übernehmen.
Ob sich die Atmosphäre erwärmt, hängt also davon ab, ob die Konzentration der Treibhausgase zunimmt! Du siehst, du kannst deine Hypothese vergessen! Wär halt zu schön gewesen, gell!
Nun musst du wieder Verantwortung für deine täglichen Konsumentscheidungen übernehmen! Wie unangenehm!
Herzliche Grüsse
Ursula Zehnder ist seit über 30 Jahren Geographielehrerin an der HoPro.