Die besten Bücher meiner Gymizeit – Plätze 20-11

Die besten Bücher meiner Gymizeit – Plätze 20-11

Über 40 Bücher habe ich in meiner Gymnasialzeit gelesen. Höchste Zeit, eine Rangliste zu machen. Welche bleiben mir am besten in Erinnerung, welche waren eher eine Qual?

Hinweis: Die Rangliste erfolgte rein nach persönlichem Geschmack. Es kann sein, dass die Rangierung gewisser Bücher bei den Leserinnen und Leser Kopfschütteln auslöst. Sollte das der Fall sein, freuen wir uns über einen Leserkommentar!

20. Spiegel, das Kätzchen (Gottfried Keller, Deutsch)

Zugegeben, als Katzenfreund bin ich da etwas voreingenommen. Aber die Geschichte von Spiegel, dem Kätzchen, seiner Kätzinnen-Flamme und dem bösen Meister Pineiss ist schon sehr schön. Spiegels gütige alte Herrin stirbt, und aus dem stolzen, kräftigen, weltmännischen Kater Spiegel wird von einem Tag auf den anderen ein trostloses, mageres Kätzchen. Der Zauberer Pineiss bietet Spiegel an, ihn wieder gesund zu füttern, jedoch soll er Spiegel schlachten dürfen, sobald er wieder schön fett ist – für seine Zauberei benötigt er Katzenfett. Der hungernde Spiegel nimmt an – und es folgt eine Geschichte, die ich sehr genossen habe. (Nicht missverstehen: Ich missbillige Tierquälerei schon auch)

19. Brigitta (Adalbert Stifter, Deutsch)

Ein Mann besucht seinen alten Freund, den Major, auf dessen grossem Gut in Ungarn. Nach und nach erfährt er, wie dieser sich immer noch nicht von einer früheren Liebesbeziehungen erholt hat und ein melancholisches Dasein führt. Auf einem Nachbargut wohnt Brigitta, eine kräftige, tätige Frau. Und, klingelt’s schon? Mehr soll hier nämlich nicht verraten werden. Ich weiss, der Plot klingt einigermassen kitschig. Und zugegeben, das ist er auch. Aber gleichzeitig eben wunderschön: Die Landschaftsbeschreibungen des weiten Ungarn, die zart melancholische Grundstimmung und die fantastische, subtile Romantik machen diese Novelle unvergesslich.

18. Gespenster (Henrik Ibsen, Deutsch)

Meine erste Begegnung mit dem Dramatiker Henrik Ibsen. Und was für eine! Mit Themen wie Geschlechtskrankheiten, Familienkonflikten und brennenden Kinderasylen ging es gleich richtig zur Sache. Und das in der zweiten Klasse! Am Schluss war ich baff – sowohl von der schieren Wucht des Plots wie auch von den genauen Beobachtungen Ibsens, die sich unter anderem in tollen Dialogen manifestieren.

17. Je voudrais que quelqu’un m’attende quelque part (Anna Gavalda, Französisch)

Dieser Kurzgeschichtenband war eine unerwartete Entdeckung. Abgesehen von der Sonnenallee das witzigste Buch, das ich gelesen habe. Es vereinigt ganz alltägliche Liebes-Geschichten in Paris mit gespenstischen Schicksalen, Ich-Konflikten und analysiert verschiedene Reaktionen auf persönliche Schuld. Der Stil ist erfrischend, witzig, rasant – und die eine Geschichte über den Sohn eines stockkonservativen Regionalpolitikers, der nach einer intensiven Nacht mit seinem Jaguar ein Wildschwein rammt, bleibt unvergessen.

16. Justiz (Friedrich Dürrenmatt, Deutsch)

«A bsoffene Gschicht». Sie beginnt als Krimi in Zürich und endet auch als solcher, doch dazwischen nimmt sie uns mit auf eine Irrfahrt durch die Sünden und Laster der zürcherischen und schweizerischen Gesellschaft. Wirtschaftsbosse, Anwälte, Politiker, Zuhälter – alle bekommen sie ihr Fett weg. Wie bei Dürrenmatt üblich, mit einer grossen Portion Humor erzählt – und wirklich erhellend. Wenngleich die Handlung teils etwas abdriftet, liest man das Buch, wie Friedrich Luft treffend beschrieb, «mit lustvoll gesträubten Haaren». Bonuspunkte gibt es für die Art, wie Dürrenmatt den Handlungsort Zürich schildert. Unser Deutschlehrer versprach uns, nach der Lektüre werde unser Weltbild nicht mehr das Gleiche sein. Und er hatte recht.

15. Drei Männer im Schnee (Erich Kästner, Deutsch)

Ein gemütliches Buch. Es behandelt jeden Leser gut und wird durchs Band von der Schülerschaft geschätzt. Und wie könnte man sich auch nicht wohlfühlen im Grandhotel Bruckbeuren, wo der Industriemagnat Tobler als armer Schlucker getarnt hingeht, um zu testen, ob er anders behandelt wird. Amüsant, witzig, immer mit einem Schuss Ironie. Das perfekte Buch für die Weihnachtsferien.

14. Vor Sonnenuntergang (Gerhart Hauptmann, Deutsch)

Als ich in der zweiten Klasse bei der letzten Zeile dieses Theaterstücks angelangt war, da war ich sprachlos. Derart packend und intensiv war das Familiendrama gewesen. Es handelt vom alten Industriellen Geheimrat Clausen, der verwitwet ist und eine Affäre zur jungen Inken Peters unterhält. Seine Familie billigt die Affäre gar nicht. Die überfürsorgliche Tochter Bettina, der trockene Sohn Wolfgang mit seiner berechnenden Ehefrau Paula Clothilde, dazu noch sein ehrgeiziger Schwiegersohn Klamroth, der darauf drängt, endlich die Firma zu übernehmen, sind bestrebt, alles zu unternehmen, um Inken vom Geheimrat Clausen fernzuhalten. Die bestechende Figurenkonstellation führt zu einem familiären Erbeben.

13. Hedda Gabler (Henrik Ibsen, Deutsch)

Der zweite Ibsen. Und wie Gespenster ist auch Hedda Gabler beeindruckend. Enttäuschung in der Ehe, verkappter Frust, Eifersucht, Künstlertum – diese Themen und noch viele mehr bilden den Rahmen dieser Familientragödie. Da fällt mir übrigens gerade auf, wie viele Familientragödien ich im Deutschunterricht gelesen habe. Kann das Zufall sein? Herr Meister, mein Lehrer, sagte uns: Wir seien die erste Klasse, mit der er dieses Stück in seiner langen Karriere gelesen habe. Definitiv ein Entdeckung also.

12. Le malade imaginaire (Molière, Französisch)

Diese Komödie soll rund 350 Jahre alt sein? Und dabei ist der Dialog so modern, dass er auch aus einer Sitcom stammen könnte. Molière macht sich im Stück rücksichtslos über alles und jeden lustig: Über den Hypochonder Argan, der sich von seinen einfältigen Ärzten alle möglichen Krankheiten diagnostizieren lässt; über seine dümmliche, raffgierige Ehefrau Béline und zahlreiche weitere Gestalten. Das Stück bedient alle Geschmäcker: Es ist voller sowohl trivialem als auch hochstehendem Humor, Ironie, Witz und Stoff zum Nachdenken. Sogar eine Stelle auf Pseudolatein hat Molière noch irgendwo verstaut.

11. The Importance of Being Earnest (Oscar Wilde, Englisch)

Eine amüsante Verwechslungskomödie, die zu kompliziert ist, um in aller Schnelle hier auszubreiten. Vom Anfang bis zum Schluss war es ein Vergnügen, sie zu lesen. Die Dialoge dieses Stücks sind scharf und geschliffen, die Handlung hat Tempo, und vor allem demonstriert Wilde Satz für Satz, zu welcher Schönheit die englische Sprache fähig ist. The Importance of Being Earnest ist wohl auch einer dieser «Schulbuchklassiker». Doch völlig zu recht! Keiner Schülerin und keinem Schüler sollte es vorenthalten werden, sich derart an der englischen Sprache zu laben, wie man das beim Lesen dieses Theaters tut.

Die besten Bücher meiner Gymizeit – Plätze 10-01

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Fragebogen mit Christoph Meister

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